finnosophie

Mein Spezialvikariat in Finnland

Finnland – Schweden – Dänemark und zurück!

Und jetzt war ich vielleicht eine ganze Weile leise hier auf dieser Seite…. Soviel habe ich erlebt und soviel war ich unterwegs. Da war die Auslandspfarrkonferenz in Höör, in der die Auslandspfarrer*innen der EKD-Gemeinden von Nord- West- und Osteuropa mit ihren Familien zusammen kamen. Es war für mich sehr spannend mitzuerleben, wie unterschiedlich doch jede einzelne Auslandsgemeinde ist. Jede Gemeinde hat sich seinen eigenen Aufgaben und Herausforderungen in ihrem je eigenen Land zu stellen. Spannend war auch die Diskussion über Sinn und Ziel der Auslandspfarrstellen. Wann wird eine Auslandspfarrstelle eingerichtet? Welche Ziele verfolgt sie und wann ist wieder der Zeitpunkt gekommen, eine deutsche Gemeinde im Ausland als nicht mehr notwendig anzusehen? Und kann man das überhaupt? Solche und andere Fragen wurden zwar nur am Rande diskutiert, haben mich aber fasziniert und über viel über das Auslandspfarramt nachdenken lassen. Interessant waren auch die Vorträge über das schwedische und dänische Kirchensystem, das dem finnischen zwar ähnlich aber dann doch wieder ganz anders ist: Gerade das schwedische Kirchensystem hat mich durch die klare Arbeitszeitenregulierung und hierarchische Ordnung als angehende Pfarrerin sowohl fasziniert als auch abgeschreckt. Ich finde ja eine Trennung von Beruflichem und Privaten sehr wichtig und sehe deshalb in dem arbeitszeitengeregelten Pfarrberuf einen Reiz. Wenn dass aber auf der anderen Seite bedeutet, dass genau vorgegeben ist, wieviel wir für die Vorbereitung und Durchführung unserer Arbeitsschritte (für Planung und Durchführung eines Gottesdienstes, für Seelsorgegespräche und Kasualgottesdienste) benötigen dürfen, dann verliert es doch wieder enorm an Reiz. Wir blieben aber nicht nur im Theoretischen, sondern nutzten auch zwei Tgae um die Kirchengemeinden in Malmö und Kopenhagen zu besichtigen.

Angereichert mit vielen neuen Denkanstößen und Impulsen machte ich mich mit unserem EKD-Pfarrteam aus Finnland von diesen vier Tagen in Höör, Malmö und Kopenhagen zurück auf den Heimweg. Wie auch auf dem Hinweg nahmen wir nicht die schnellste Route mit dem Flieger, sondern nutzten den Seeweg. Schon erstaunlich, wie einem die Weite und Länge der Entfernung auf See viel bewusster wird. Und auch wurde mir der Unterschied zwischen Südschweden und Südfinnland nochmal klarer: Dort war alles in ein sattes grün getaucht, stärker besiedelt und irgendwie hatte es so eine liebliche Ausstrahlung. Und hier? – als ich dann morgens an Deck ging, dachte ich: “Ja – ich bin wieder in Finnland!” Hier ist alles ein wenig rauer, felsiger, und ruhiger und weiter entfernt.

Zuhause angekommen aber hieß es nicht ausruhen und das Erlebte sortieren und verarbeiten. Nein – so richtig Pfarrer*innenlike fuhren der Pastor unsere Jugendleiterin, unser Diakon, ich, 18 Konfirmanden und weitere 10 Teamer*innen (hier in Finnland Isoset genannt) nur 4 Stunden nach Ankunft auf eine finnische Insel für eine 6-tägige Konfirmandenfahrt. Ja! – ihr habt richtig gelesen: 6 Tage Konfirmandenfreizeit. Und das ist für finnische Verhältnisse noch eine recht kurze Fahrt.

Und so machte ich mich auf ein Neues auf und genoss die Weite Finnlands!

Hauska Vappua!

Den 1. Mai habe ich hier in Helsinki ganz unterschätzt! Und dieses Jahr fiel er auch noch auf einen Sonntag. Schon Wochen vorher in unserer Dienstbesprechung hörte ich auf die Frage, was sie an diesem Wochenende machen, die Antwort: “Was schon? Es ist Vappu!” Und Vappu – das wird hier gefeiert!!! Gefühlt ganz Helsinki zieht los um in Parks mit einem Picknick den Frühling zu begrüßen. Was also tun, wenn er auf einen Sonntag fällt und wir als Pfarrpersonen arbeiten? – Genau: Wir verlegen unsere Arbeit dahin, wo wir sind: Kindergottesdienst mit anschließendem Picknick im Park. Und zwar genau im zentralen Park.

Nachdem wir den Kindergottesdienst ganz normal in der Kirche gefeiert hatten, zogen wir los. Ich war beeindruckt von den vielen Menschen, die sich auf den Straßen befanden. Alle waren sie unterwegs. Ein wichtigies Utensil das fast eine jede Person dabei hatte, war die weiße Abiturientenmütze. Diese durfte nicht fehlen. Und so trug jung und alt alle die gleiche Kappe.

Dieser 1. Mai im Kaivopuisto war schon was besonderes: So viele Menschen auf einem Haufen habe ich hier noch nicht zu sehen bekommen! Und so durchmischt. Jung und alt – Alle beisammen. Bei einem rießigen Picknick.

Leider war das Wetter durchwachsen und auch nordisch frisch. Und so war ich mit meinen Kindern doch froh nach 3 Stunden wieder im Warmen zu sitzen. Ja – der Frühling ist hier schon ein wenig anders als in Deutschland. Obwohl es schon so richtig lange hell ist und früh dunkel wird, sind die Temperaturen doch noch eher kühl. Letzte Woche hat es sogar nochmal kurz geschneit. Man sagt mir hier, der Frühling kommt über Nacht. Er kommt spät, aber dann richtig schnell. Ich bin gespannt – die vorboten zeigen sich hier schon ab. Es blühen schon kleine Blumen im Park und an manchen Stellen zeigt sich auch schon der Löwenzahn und wenn man genau hinsieht, dann knospen auch schon die Bäume. Ja – das ist toll! So lange haben wir hier auf den Frühling gewartet!!! Kein Wunder, dass alle sich im Mai bei halbwegs warmen Temperaturen in den Park setzen, die Sonne genießen und das aufblühende Leben.

Und so beende ich heute mal so ganz untheologisch meinen Blogeintrag. Einfach nur eine Erfahrung, die ich mit euch Teilen möchte. Ein Tag, an dem der Frühling sehnlichst gefeiert wird. – Ob er nun schon tatsächlich eingetroffen ist oder nicht. Aber alle wissen wir – er kommt. Fast schon ist er da!!!

Er kommt – der Frühling!!!

Zeit für den Frühlingsputz

Es ist Frühling in Helsinki. Die Straßen werden von den Kehrmaschinen gesäubert. Der ganze Split des Winters wird zusammengekehrt und weggebracht. Die Parks werden gereinigt. Die Blätterhaufen zusammengetragen, um sie zu entsorgen.


Wann gibt es in unserer Kirche mal einen Frühlingsputz? Daran musste ich denken, als ich mich heute in Diskussionen wieder mal in das finnische Kirchensystem eingearbeitet habe, das doch von dem Deutschen in so Vielem unterschiedlich ist. Ich habe das Gefühl in der Kirche in Deutschland steht ein Frühlingsputz an. Nicht nur steht er an, eher sind wir als Kirche vielleicht schon seit längerem dabei einen Frühlingsputz durchzuführen. Altlasten werden entsorgt: Dinge, die liegen geblieben sind und heute einfach keinen Sinn mehr haben. Wie von Baum gefallene Blätter, werden veraltete Strukturen zusammengekehrt, um sie zu entsorgen. Um Platz zu schaffen für eine neue Struktur und die Wiese und die Wege schön begehbar zu machen. In Bezug auf die Kirche stellt sich dann natürlich die Frage, was diese Blätter sind, was muss überarbeitet werden und was aufgegeben werden sollte, damit Energie und Platz für Neues da ist. Diese Frage zu beantworten ist nicht immer einfach und braucht viel Kommunikation. Das sehe ich gerade in den deutschen Gemeinden, in denen einschlägige Veränderungen anstehen: Obwohl wir wissen, warum die Sachen verändert werden, fällt es uns zuweilen doch sehr schwer, die Schritte tatsächlich einzuleiten.

Dabei tut frischer Wind doch gut…

Die Alepafahrräder und E- Roller werden in Helsinki wieder aufgebaut und rausgestellt.
Nach dem Frühlingsputz für die City, kann man sich nun mit neuer Energie aufs Fahrrad schwingen. Hier in Helsinki gibt es eine Werbung für die diese mietbaren Citybikes: “Nyt on varma kevään merkki! Kaupunkipyörät palaavat” was soviel heißt wie “Jetzt ist ein sicheres Zeichen für den Frühling! Citybikes sind zurück!”

An vielen Ecken in Helsinki gibt es eine Station um sich diese Fahrräder zu leihen. Man kann kurze Zeit damit fahren und sie an der nächsten Ecke wieder anschließen und für andere Passanten zurück lassen. Auf langatmige Kaufangebote eines eigenen Fahrrads kann so verzichtet werden. Ich brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, welches Fahrrad für mich das Richtige ist. Ich habe hier ein einfaches Angebot an einem simplen Fahrrad, auf dem ich für eine Weile fahren kann. Das reicht vollkommen.

Und auch diese Beobachtung bringt mich an diesem Morgen zum Nachdenken über die Kirche in Deutschland: Vielleicht ist es ja das, was wir als Kirche brauchen: Ein City-Bike-Angebot… Ein Angebot in der Kirche, das nicht lebensänglich gedacht werden muss, sondern einfach auch mal nur bis zur nächsten Ecke. Die Eintrittsschwelle sollte möglichst niedrig gehalten werden. Ein Angebot, dass nicht auf Dauer der Menschen und ihrem konstanten regelmäßigen Besuch aus ist, sondern Aktionen und Veranstaltungen, die offen sind, für je andere und neue (oder halt auch bekannte) Gesichter. Vielleicht gibt es in der Kirche wie bei den Citybikes dann auch mal Zeiten, in denen sie mehr gebraucht wird. Zeiten, in denen häufig das Angebot genutzt wird. Das muss aber umgegkehrt nicht heißen, dass sie in den anderen Zeiten keine Rolle spielt. Wie auch ich durch die Stadt laufe und mich täglich dieser Fahrräder erfreue, die ich jeder Zeit nutzen könnte, so ist meiner Meinung nach die Sichtbarkeit der Kirche gerade auch in der heutigen Zeit von großer Bedeutung. Ich sehe sie, ich lese ihr Angebot und freue mich darüber, daran teilnehmen zu können, wenn ich möchte.

Und das tolle an den Fahrrädern ist ja: Sie sind umweltfreundlich. Sie schaden niemandem, halten einen selbst fit und lassen frischen Wind um die Ohren pfeifen…

Frei zum Handeln

In der vorletzten Woche kamen dann auch die Flüchtlinge aus der Ukraine in die Gemeinde nach Helsinki. Mit Hilfe von engagierten Menschen konnten wir zwei geflüchteten Familien eine Wohnung zur Verfügung stellen. Innerhalb von kürzester Zeit wurde durch Spenden die ganze Einrichtung von der Mitarbeiterschaft zusammengetragen und in die Wohnungen gebracht. Es wurde in einer Blitzaktion ein richtig schönes Heim. Dort können sie jetzt erstmal sein, bis sie wissen wie es weiter gehen wird.

Und ich musste im Zuge dessen über unsere Arbeit als Pfarrpersonen nachdenken. Wir haben hier einige Zeit aufgebracht, um auf die Busse und Flüge zu warten – um Ihnen ein möglichst gutes Ankommen zu ermöglichen. Ich treffe die Familie auch noch weiterhin und versuche mich mindestens einmal alle zwei Tage bei Ihnen zu melden. Die Arbeit mit Menschen oder die Arbeit am Mitmenschen. Ist es nicht eigentlich das, was der Mittelpunkt unserer pastoraler Arbeit sein sollte? Menschen treffen, Menschen begleiten und einfach da sein. Ein Mitmensch für den Anderen sein. Einer anderen Familie aus der Ukraine verhalfen wir zur Weiterreise in ihr Zielland. Fast einen ganzen Tag verbrachten wir zusammen. Als ich eine Weile mit Ihnen unterwegs war, fragten sie mich: “Musst du nicht arbeiten und was anderes tun?” und im Luxus meines Spezialvikariates konnte ich ihnen antworten: “Nein! Das hier ist meine Arbeit!”

Pfarrerinnen und Pfarrer werden in Deutschland von ihrer Kirche alimentiert. Es wird im Sinne des Alimentationsprinzips von ihrem Dienstherrn, der jeweiligen Landeskirche, für sie gesorgt. Besonders prägend ist mir der Satz meines Professors hängengeblieben, als er einmal gesagt hat: “Weshalb denkt ihr, bekommen wir Pfarrerinnen und Pfarrer am Anfang des Monats Gehalt?” Seine Antwort ging dann in die Richtung, dass wir durch das Gehalt am Anfang des Monats die Freiheit bekommen um für die Menschen da zu sein. Wir brauchen nicht erst für unseren Lohn zu arbeiten, sondern wir bekommen den Lohn im voraus um frei zu sein für die Begegnung mit Menschen und frei zu sein für unsere pastorale Arbeit. Diese Antwort fand ich damals sehr beeindruckend (und finde ich immer noch). Denn das hieße konzequenterweise, dass Pfarrerinnen und Pfarrer nicht für eine gewisse Leistung entlohnt werden, sondern für ihr Lebensunterhalt gesorgt wird, damit sie ihre Zeit wichtigeren Dingen als der Lohnarbeit widmen können. – Zeit für Begegnung. Zeit für den Dienst am Menschen und an Gott.

Wir werden also regelrecht bezahlt dafür frei zu sein für…

Diese Denkweise finde ich äußerst charmant, gerade in der heutigen Zeit, in der alles gegeneinander aufgerechnet wird. Das – Wieviel muss ich arbeiten um wieviel Lebensunterhalt zu bekommen? – würde dann entfallen. Arbeitszeitenregelungen sind in diesem Denken nicht vorgesehen. Denn meine Zeit ist frei. Und was zunächst fantastisch klingt: Das “Ich habe Zeit und bin frei mich um die Menschen zu kümmern” birgt die Gefahr der Überforderung mit sich. Wieviel Zeit räume ich denn eigentlich den Dingen ein? Wieviel Zeit für meine Mitmenschen? Wieviel Zeit für Gott und seine Schöpfung? Wieviel Zeit für meine Familie und wieviel Zeit schlussendlich für mich? Und in welcher Gewichtung ordne ich diese Zeiten?

Gerade als Mutter mehrerer kleiner (und mittlerweile schon etwas größerer) Kinder fällt mir diese Entscheidung dann doch nicht so leicht. Die Freiheit des Zeithabens – und dann gibt es soviel zu tun! Als angehende Pfarrerin – als Mutter – als Privatperson. An so vielen Orten könnte ich sein! Da ertappe ich mich dann trotz all der Freiheiten machmal dabei, dass ich mich nach einer Arbeitszeitenregelung sehne. Nach einer Regelung, die mich in meiner Freiheit einschränkt und mir ganz klare Vorgaben gibt, wie wann was zu tun ist. Und wann es halt auch nicht zu tun ist! Wann ich frei habe vom Freihaben…

…und dann erkenne ich: “HALT – STOP: Das kann auch nicht der richtige Weg sein!”

Ein Gebet für den Frieden

“Es ist Krieg. Russland hat die Ukraine angegriffen.”

Mit diesen Worten beginnt unser Friedensgebet in der deutschen Gemeinde in Helsinki, das jeden Tag um 12 Uhr für ein paar Minuten des Innehaltens Menschen zusammenkommen lässt. Es ist keine große Zusammenkunft, und doch finden sich von Montag bis Freitag eine Handvoll Menschen (oder mehr), um ihre Sorgen und Wünsche vor Gott zu bringen. Zehn Minuten für den Frieden!

Ich habe das Gefühl, dass sich gerade hier in Finnland die Menschen ihres östlichen Nachbarns auf eine besondere Weise bewusst sind. Mit einer ca. 1430 km lange Grenze zu Russland, handelt es sich um die längste Staatsgrenze ihres Landes. Es ist also nicht das entfernte Russland, sondern das direkte Nachbarland.

Ich wurde letztens von einem Bekannten aus Deutschland gefragt, ob der Krieg hier wegen der direkten Nachbarschaft zu Russland den Menschen mehr Angst einjagt. Das kann ich so natürlich nicht beantworten. Mir scheint aber als seien die Menschen wachsam, denn sie verbindet eine lange Geschichte mit ihrem Nachbarland.

Krieg in der Ukraine also – so weit weg und doch so nah. Es geht uns alle an.

Was können wir tun? Diese Frage beschäftigt die Menschen hier. Und auch die Konfirmanden haben sich im Rahmen ihres Konfisamstages Gedanken darüber gemacht. Wie können wir helfen für die Menschen in der Ukraine? Spenden! Und diese werden auf vielfältige Weise gesammelt. So zeigt die Homepage der Gemeinde Adressen für Spendenmöglichkeiten auf, die das Bistum Porvoo extra für Ihre Gemeinden erstellt hat. Beten, haben sie auch genannt, die Konfirmanden! Beten für den Frieden!

Und das tun wir hier. Als Spezialvikarin habe ich momentan die Zeit, fast täglich diesen Gebeten beizuwohnen. Einen Moment Stille und Zeit für den Frieden, der mir bisher doch immer viel zu selbstverständlich erschien.

ein Friedensgebet auch für den Frauenkreis der Gemeinde

Und so sitze ich mit Menschen vor den Altarstufen und bitte um Frieden in der Welt.Wir beten gemeinsam. Wir schweigen gemeinsam. Manchmal frage ich mich ja, ob es wirklich was bringt – das Beten?

Denn was müsste überhaupt passieren, dass sich Friede einstellt? Ich weiß es nicht. Ich weiß einfach nicht, was geschehen müsste, damit der Krieg ein Ende findet. Aber obwohl oder gerade weil ich es nicht weiß, bete ich für eine bessere Welt. Nehme Gott in Anspruch. “Ach Gott, wie sehr wünsche ich, dass du etwas tust, damit Friede wird.” Dabei glaube ich nicht, dass Gott seine magische Keule schwingt und alle Bösewichte des Krieges auslöscht. Nein – so kann beten nicht funktionieren! Und doch bin ich überzeugt davon, dass es was verändert.

Und je häufiger ich zum Mittagsgebet gehe, merke ich, dass das Gebet vielmehr etwas mit mir macht. Das tägliche Bitten um das Wirken Gottes lässt mich anders zurück. Manchmal denke ich, dass es mich stärkt. Ein ander Mal ist es gerade das Gefühl der Ohnmacht laut ausgesprochen zu hören, dass ich in Bezug auf den Krieg immer wieder verspüre. Und manchmal wage ich sogar zu hoffen, dass Friede möglich ist. Dass wie weiß ich immer noch nicht.

Letzte Woche waren auch mehrmals Eltern mit ihren Kindern im Gebet. Zwei quirlige Kleinkinder im Alter von ungefähr 2 Jahren. Während wir uns also besannen und beteten, spielten die Kinder vorm Altarraum. Sie bestaunten die Kerze und liefen sogar im Kreis um den Altar herum. Soviel Lebendigkeit – und das alles, während wir beteten. Unterm (Altar)kreuz herrschte pure Lebendigkeit.

Das Kreuz und das Leben. Fast eine kleine Osterbotschaft mitten in der Passionzeit.

Und ich dachte: “Eigentlich ist es diese Lebendigkeit, die wir Menschen dem Grauen des Krieges entgegensetzen können. Aktivität und das Entdecken neuer Möglichkeiten…”

Ich werde sie weiterhin besuchen – unsere Friedensgebete. Und ich bin gespannt, was sie noch für Gedanken und Fragen in mir aufkommen lassen.

Sakramente spenden- Du nicht!

“Ohne Ordination ist es schwierig in den skandinavischen Ländern als Pastorin zu arbeiten!” – Das wurde mir schon zu Beginn meines Spezialvikariats gesagt. Aber irgendwie habe ich es nicht ganz glauben wollen. Bin ich doch eine ausgebildete und fertig geprüfte Theologin. Damals war mir der Unterschied der Ausbildungswege und das damit einhergehende unterschiedliche Pastorenverständnis noch nicht klar.

In meiner Landeskirche, der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau, wird die Ordination erst nach dem 2. theologischen Examen und nach dem Spezialvikariat in die Gemeinde hinein vollzogen. Erst braucht man eine Gemeinde, in der man arbeitet. Und danach wird man in diese Gemeinde hinein ordiniert. “Ordinare” ist lateinisch und heißt soviel wie “Weihe, Bestellung”, wobei in der evangelischen Kirche die Ordination nicht als ein Weiheakt verstanden wird. Vielmehr ist es die gottesdienstliche Einsetzung der Pfarrperson in sein Amt mit all seinen Rechten und Pflichten, die dazu gehören. “berufen – gesegnet – gesendet”. So könnte das evangelische Ordinationsverständnis zusammengefasst werden. Weil man im Vikariat noch nicht ordiniert ist, wird man einer Pfarrperson zugeteilt, die einen in den Pfarrberuf einführt und die Verantwortung der Vikarsperson übernimmt. Man darf dann gottesdienstliche und sakramentale Akte im Beisein der Lehrpfarrperson durchführen. Es heißt: man hat Anteil an der Beauftragung und Ordination des Lehrpfarrers oder der Lehrpfarrerin, sodass man die sakramentalen und Gottesdienstlichen Handlungen machen und erlernen kann.

Nun kam ich also nicht ordiniert nach Finnland und dachte, dass ich auch hier – wie in Deutschland auch – an der Ordination meines Mentors teilhaben kann. Aber so einfach ist das hier nicht!

Nein – hier gehts nicht lang!

Hier in Finnland gibt es kein Vikariat. Nach dem Studium macht man ein kurzen kurzen Vorbereitungskurs des Bistums von 2 – 4 Wochen und danach kommt man direkt als “Seurakuntapastori”, einer einfachen Gemeindepastorin, in die Gemeinde und wird ordiniert. Die praktische Ausbildung, die in den ersten Amtsjahren mit vielen Seminaren begleitet ist, wird nicht wie in Deutschland unordiniert vollzogen (wie im Vikariat), sondern bereits ordiniert. Da die Gemeinden in der Lutherischen Kirche Finnland meist aus mehreren Pastoren und Pastorinnen bestehen, beginnt man als “einfacher” Gemeindepastor/in. Dabei hat man noch keine gemeindeleitende Funktion, weil es immer noch den “Kirkkoherra” gibt, den Hauptpastor oder die Hauptpastorin. Kirkkoherras sind die gemeindeleitenden Pastoren und Pastorinnen, die dafür eine zusätzliche Ausbildung und einige Jahre an Gemeindeerfahrung nachweisen müssen.

Ich bin hier also in Finnland in einer Position, die den Menschen nicht bekannt ist. Denn die finnische Pastor*innenausbildung funktioniert auf andere Weise. Das Abendmahl und die Taufe darf ich einfach qua finnischen Kirchengesetz nicht durchführen. Es ist einfach nicht erlaubt! Und einen Anteil an der Ordination des Pfarrmentors gibt es schlicht und ergreifend nicht!

Nun könnte man ja sagen: Abendmahl und Taufe – das sind einfach die zwei Sachen, die ich nicht machen kann. Gottesdienste und Beerdigungen als liturgische Handlungen darf ich ja im Beisein meines Mentors (wie im Vikariat auch) machen. Aber nicht selten kam auch dort die Frage: “Darfst du das überhaupt?”. Gerade bei Trauerfeiern wurde bisher immer auf eine richtig ordinierte Person zurückgegriffen. Nicht, weil es nicht anders ging, sondern schlichtweg, weil es für die Leute hier schwer greifbar ist, was ich eigentlich bin. Ja – Was bin ich eigentlich?

Examinierte Theologin. Fertig ausgebildete Pfarrerin. Nicht ordinierte Person.

Ach – wie einfach wäre es doch da, wenn ich vor meinem Auslandsaufenthalt ordiniert worden wäre. Manche Landeskirchen machen das – ordinieren ihre Spezialvikariatskandidaten vor ihrem Auslandsaufenthalt. Ich für meinen Teil denke mir manchmal, dass hätte mir vielleicht einiges einfacher machen können.

“Irgendwo dazwischen: Hier bin ich, hier bin ich. Ein ewiges – suchen und vermissen: Hier bin ich, hier bin ich!” Diese Zeilen eines Liedes fallen mir ein.

Ja! Das ist das Spezialvikariat auch für mich! – eine permante Suche nach der eigenen Rolle.

Souverän auf dem Eis – Gedanken über Leitung

Schlittschuhbahn an der Johanneksenkirkko

Wir haben vor unserer Wohnung in Helsinki eine öffentliche Schlittschuhbahn. Das ist an sich hier gar nichts so besonderes, weil in der Winterzeit die Bolzplätze überflutet werden und herrlich als Schlittschuhbahn genutzt werden können. – Und das werden sie auch ganz fleißig. Jung und Alt trifft sich hier! Zu allen Zeiten des Tages sieht man Menschen auf dem Eis. Auf der Straße kommen einem nicht selten Menschen entgegen, die die Schlittschuhe lässig über der Schulter tragen. Einfach so – mal kurz übers Eis gleiten.

Aber das Eis bleibt nicht nur auf den gut begrenzten Schlittschuhbahnen. Nein – sobald es ein wenig wärmer wird und dann wieder friert, wird die ganze Straße (und Bürgersteige) zu einer einzigen Rutschpartie. Eis überall. Dann wird das Spazierengehen zu einer richtigen Herausforderung. Schnell mal von A nach B laufen geht dann nicht mehr. Langsam und bedacht muss man einen Fuß vor den Nächsten setzen, damit man nicht den Halt verliert und unsanft auf dem Boden landet. Natürlich haben die gut ausgestatteten Menschen in Helsinki Spikes, die sie sich unter die Schuhe klemmen können. Dann ist die Wahrscheinlichkeit auszurutschen nicht mehr so groß. Aber trotzdem – so oder so – beim Laufen ist Vorsicht geboten!

Und das sollte eigentlich keine Schlittschuhbahn sein!

In unserer Gemeinde haben sich in den letzten Wochen Pastor*innen aus Deutschland für die nächste Wahl des Hauptpastors oder der Hauptpastorin vorgestellt. Die Pastoren sind deutsche Pfarrer oder Pfarrerinnen, die für mindestens 6 Jahre von der EKD ins Ausland gesendet werden. Immer wenn eine neue Pfarrperson kommt, wird diese nach vorheriger Vorstellung und Gesprächen von den Gemeindemitgliedern gewählt. Solche Vorstellungswochenenden hatten wir also in den letzten Wochen. Bei allen kam früher oder später die Frage nach dem Führungsstil auf. Während ich also hier meine Erfahrungen zu Bewerbungen mache, heißt es gleichzeitig auch immer wieder für mich nach Deutschland zu schauen, um meinen Pfarrdienst auf Probe vorzubereiten. Auch das bringt das Spezialvikariat im Ausland mit sich – sowohl hier zu sein als auch gleichzeitig schon wieder mit einem Fuß in Deutschland zu stehen.

Auf meinem Heimweg von den Gesprächen schlitterte ich über das Eis. Die Führungsfrage ließ mich nicht los. Noch sind meine Gemeindeführungserfahrungen gering. Aber eines habe ich mir für die Zukunft gemerkt: Es geht viel ums Hinhören und die Reflexion darüber. Was und wen höre ich in der Gemeinde? Wo sind die lauten Stimmen und aber auch, wo sind die Leisen? Alle sollten wahrgenommen werden. Und dann ist es die Aufgabe der Führung, die unterschiedlichen Stimmen wertzuschätzen und vermittelnd aufzutreten. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht immer leicht sein wird und ohne Konflikte abläuft. Aber hier in Finnland habe ich gelernt, dass wenn der Boden zentimeterweise mit Eis bedeckt ist und Rutschgefahr besteht, die Menschen sich zu helfen wissen. Denn es gibt Spikes oder Schlittschuhe. Wenn also Situationen auf mich zukommen, die die Gefahr des Ausrutschens mit sich bringen – gerade auch in Bezug auf Gemeindeführung – dann ist es gut zu wissen, dass es Hilfsmittel gibt… Entweder ich schnalle mir Spikes unter die Füße, die mir Festigkeit am Boden geben. Dann bin ich selbst die Person, die Halt für die Situation gibt. Oder aber ich ziehe mir Schlittschuhe an, die mich über das Eis gleiten lassen. Dann geht es weniger um Standhaftigkeit als vielmehr ums Umdenken. Die Schlittschuhe bringen neue Energie und verändern den Blickwinkel. Ich muss nicht fest stehen, sondern darf in Bewegung bleiben. Mit der Gemeinde gemeinsam übers Eis gleiten. Gemeinsam in Bewegung. Gemeinsam im Schwung – Was ein schönes Bild!

Ich glaube, ich gehe mir gleich mal Schlittschuhe besorgen! Vielleicht kann ich sie ja bald schon gebrauchen!!!

Ruhe im Schnee

Friedhöfe – Orte der Erinnerung und Beisetzung. Orte der Ruhe und Trauer. Orte der Vergangenheit und Gegenwart. Vor kurzem hatten wir in unserer Gemeinde eine Trauerfeier, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Bei manchen Trauerfeiern ist die Friedhofskapelle voll mit Menschen und Angehörigen, die der verstorbenen Person die letzte Ehre erweisen. Bei Anderen sind es eine Hand voll Menschen und ganz selten aber kommt niemand. Und genau so eine Trauerfeier hatten wir:

Die Friedhofskapelle war geschmückt, die Kerzen haben geleuchtet, der Sarg war schön aufgebahrt, aber keiner da, der sich verabschieden kam. Niemand, der am Sarg oder der Urne stand, um des Menschens zu gedenken. Wir wussten schon im Vorfeld, dass wahrscheinlich keine Personen an der Feier teilnehmen werden. Und so machten der Pfarrer, ich und eine weitere Person aus der Gemeinde uns gemeinsam auf den Weg, um diesen Menschen in der Gesamtheit seines Daseins liturgisch zu würdigen. Wir standen nun also zu dritt in dieser Kapelle und gedachten an ein uns unbekanntes Leben.

Die Friedhofskapelle in Honkanummi

Ein gelebtes Leben geht zu Ende.

Ist es überhaupt wichtig, eine liturgische Feier zu veranstalten, wenn es keinen Bedarf auf Seiten der Hinterbliebenen gibt? Hinter dieser Frage steht noch eine andere Frage: Für wen machen wir die Trauerfeier? Ist es eine Feierlichkeit für die Menschen, die sich so von einer verstorbenen Person verabschieden können oder ist das Ritual für die verstorbene Person? Für wen und zu wem sprechen wir in diesem Gottesdienst? Eigentlich könnte man ja sagen, die verstorbene Person ist tot und nicht mehr da – sie ist nun bei Gott – und braucht keine menschliche “Begleitung” mehr. Auf der anderen Seite empfand ich unsere Feier im kleinen Kreis als sehr wichtig – gerade, weil sonst niemand anderes dazu kam. Die Verabschiedung eines Menschen, der nun nicht mehr ist. Das fertig erzählte Leben wertschätzen. Dabei geht es nicht darum aufzuzählen, was die Person alles Tolles erreicht hat, oder gar, was alles falsch gelaufen ist. Nein – vielmehr geht es darum zu würdigen, dass hier eine Person verstorben ist, die sich am Leben versucht hat; die Schritt für Schritt im Chaos des Lebens voran gekommen ist. Mal mit mehr Orientierung und mal mit weniger – wie wir es halt alle Menschen machen. Es ist also diese Wertschätzung des gelebten Lebens, die in der Trauerfeier seinen Platz hat. Und dafür kommt es nicht auf die Anzahl der Menschen an, die vor Ort sind. Aber meiner Meinung nach ist es trotzdem wichtig, dass es jemand macht und jemand da ist. Und so ist das auch die Aufgabe von uns Pfarrer*innen: Da zu sein, wenn sonst niemand da sein kann. Feierlich das beendete menschliche Leben gedenken, wenn auch sonst keine weitere Person Anteil nimmt. So haben wir im kleinen Kreis eine kleine liturgische Feier gemacht mit Musik, Psalm, Gebet und Aussegnung.

Anders als in Deutschland ist die Trauerfeier in Finnland von der Beisetzung zeitlich getrennt. Nach der Trauerfeier verbleibt der Sarg in der Kapelle und wird vom Beerdigungsinsitut wieder mitgenommen, um dann (häufig auch Wochen später) in einer sehr kleinen Zeremomie am Grab beigesetzt zu werden. Nicht selten ist diese Beisetzung auch ganz ohne Pfarrperson und nur im Kreise der Familie zusammen mit dem Beerdigungsinstitut. Im Winter stehen die Beisetzungen unter einer besonderen Herausforderung: Der Boden ist gefroren und es gibt meterweise Schnee. So ist es nur verständlich, dass es weniger Beerdigungen im Winter gibt und einige sogar erst im Frühling stattfinden können.

Als die Trauerfeier also geendet hatte, fuhren (Ja! in Helsinki sind die Friedhöfe so groß, dass man mit dem Auto darüber fährt) wir noch zu der Stelle, wo Mitglieder der deutschen Gemeinde beerdigt sind. Auf dem Friedhof in Hokanummi gibt es zwei Reihen, die extra für Mitglieder der deutschen Gemeinde reserviert sind. Dort angekommen war ich überrascht, von dem Bild, das sich mir bot: Schnee und Gräber. Eine ganz besondere Kombination. Umhüllt von dem vielen Schnee strahlten die Grabsteine erhabene Ruhe aus. Geborgen unter dem ganzen Schnee waren die Gräber kaum zu erkennen.

Die Ruhe im Schnee

Und dann lernte ich, was es heißt im Winter ein Grab zu besuchen. Mit großer Schneeschippe ausgestattet, machten wir uns auf den Weg, den Grabstein des früheren Pfarrers der deutschen Gemeinde zu besuchen. Eine Person ging voraus und spurte den Weg und ich stapfte in den Fußspuren hinterher. Danach hieß es dann erstmal den richtigen Grabplatz im Schnee zu finden. In der Hoffnung uns an der richtigen Stelle zu befinden, wurde begonnen das Grab freizuschaufeln. Das dauerte eine kleine Weile, aber endlich war der Grabstein zu sehen – und ja – es war der Richtige. Dann noch den Schnee abkratzen und eine Kerze anzünden. 40 cm unterhalb der Schneedecke brannte nun also das Licht. Von Weitem nicht zu sehen und doch war es da…

Verborgen im Schnee

ein Licht

für das, was auch uns verborgen bleibt

das Leben jenseits des Todes.

Hallo Welt!

Tja – da stehe ich nun also und kann es eigentlich gar nicht richtig fassen: Es hat alles geklappt und ich mache mein Spezialvikariat in der deutschsprachigen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Finnland. Für längere Zeit ins Ausland wollte ich immer schonmal gehen – und nun endlich hat es geklappt. Helsinki. Finnland. Nach meinem Vikariat in Deutschland kann ich nun also hier meine Erfahrungen machen, was es zum einen heißt mit der ganzen Familie im Ausland zu leben (und ich muss sagen, dass ist für 1 Jahr echt viel vorzubereiten) und zum anderen kann ich den aus Deutschland entsandten Pfarrern über die Schultern schauen und ein “Auslandspfarramt” kennen lernen. Das ist toll!

Überhaupt, dass es von der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) die Möglichkeit gibt nach dem Vikariat und all den bestandenen Prüfungen nochmal 1 Jahr Ausland zu schnuppern, bevor es zurück in Deutschland dann in die erste eigene Gemeinde geht, finde ich ein tolles Angebot – und dachte mir “das nutze ich doch mal”. Gedacht und geplant. Bewerbung abgeschickt und aufgenommen. Und so bin ich jetzt hier. Im hohen Norden. Die deutschsprachige Gemeinde in Finnland ist eine ganz spezielle Auslandsgemeinde. Sie gehört als Gemeinde zur finnisch-lutherischen Staatskirche und ist somit in ihrer Struktur nach finnischem Kirchengesetz aufgestellt. Aufgrund der deutschen Sprache pflegt sie eine besondere Beziehung nach Deutschland, und bekommt von der EKD die Pfarrer*innen entsendet.

Und falls ihr euch jetzt fragt, was ein Spezialvikariat ist – dann seit ihr mit dieser Frage nicht allein. An sich ist es die Möglichkeit der Kirche vor dem eigentlichen Berufseinstieg nochmal in andere Bereiche der kirchlichen Arbeit Einblick zu bekommen. Eine tolle Sache. Und dennoch fällt es mir schwer, meine Rolle als “Spezialvikarin” genau zu begreifen. Nicht mehr in Ausbildung, aber halt auch nicht fertige Pfarrerin. Irgendwie wie eine Praktikantin, aber auch mehr als das. Fast schon gleichwertige Kollegin, aber halt auch nicht ganz… Und so bin ich hier in der Gemeinde irgendwo dazwischen unterwegs. Ich nutze die vielen tollen Angebote (die leider wegen Corona momentan komplett runtergefahren werden mussten), begegne Menschen mit ihren spannenden Lebensläufen, bilde mich in pastporaler Arbeit weiter, mache Gottesdienste und erhalte Einblick in Gemeindeleitung. Es ist also fast wie ein erweitertes Vikariat nur ohne den ganzen Prüfungsstress. Ich kann mich in den unterschiedlichsten Dingen ausprobieren und sammel viele Erfahrungen, ohne die ganze Verantwortung tragen zu müssen. Ein Probier-, Lern- und Reflexionsfeld ohne Prüfungen. Einfach mega! Und das alles auch noch in einer wünderschön gelegenen Stadt. Direkt an der Ostsee.

In meinem Blog schreibe ich über gerade diese Erfahrung meines Spezialvikariatsdaseins, über das Leben im Ausland als Familie in einem Land, dessen Sprache, so schön sie auch klingt, ich leider ich nicht verstehe und natürlich über Finnland.

“Hallo Welt” lautete der Lückenfüllertitel von WordPress beim Erstellen des ersten Blogbeitrages. Und als ich diesen gesehen habe, habe ich mir gedacht, dass das eine ganz gute Überschrift für meinen ersten Blogeintrag ist: Ja, so fühle ich mich, wenn ich abends (und manchmal auch morgens) am Meer entlang laufe – jetzt im Winter komme ich sogar auf die vorgelagerten Insel Uunisaari zu Fuß – “Hallo Welt”. Ich blicke auf das Meer und freue mich. Was ein wunderschöner Ort. Was eine wunderschöne Welt. und ich mittendrin.

Mittlerweile habe ich mich auch schon hier in Helsinki eingelebt und meine Sepzialvikariatszeit ist fast zur Hälfte rum. Leider habe ich es nicht früher geschafft zu schreiben – aber jetzt schreibe ich ja… Und kann euch schon so einiges über meine Zeit berichten! Da war z.B. der Besuch des Jenaer Soziologen und Professor Hartmut Rosa, der im November auf gemeinsame Einladung unserer Gemeinde, der Universität Helsinki, der deutschen Botschaft und dem Goetheunstitut nach Helsinki kam und an der Uni seine Lehre vorgestellt hat. In einem vollen Hörsaal, den wir wegen den Coronabedingungen leider nicht voller machen konnten, kamen Viele um sich seine Resonanztheorie anzuhören. Und immer, wenn ich nun am Meer stehe, die Kälte sich ihre Bahn durch meine Schichten an Kleidern sucht, der Wind pfeifft und die Sonne scheint, denke ich an seine Theorie der Weltbeziehungen: Resonanz entsteht immer dann, wenn etwas in uns von außen zum Schwingen gebracht wird, wir in Beziehung zur Umwelt treten und von ihr angerührt werden. “Hallo Welt” – Ja! Hier stehe ich und blicke in die Natur. Ja! Freude kommt in mir auf: “Hallo Welt! Ich bin hier!”

Bei einem Spaziergang auf Unnisaari im Herbst

© 2024 finnosophie

Theme by Anders NorenUp ↑